Frauenpower avant la lettre im 18. Jahrhundert: Malerei und Lyrik - Angelika Kauffmann trifft auf Teresa Bandettini
- hugo2825
- 5 lug
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Aggiornamento: 11 lug
Sie war Schweizerin, stammte aus Chur im Kanton Graubünden und war bereits zu Lebzeiten (1741-1807) weitaus bekannter in Italien und insbesondere in England, wo ihre Malerei hohe Bewunderung genoss. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Als Malerin setzte sie sich in einer damals noch stark männlich dominierten Welt durch. Ihre Verehrer, heute würde man von Fans sprechen, sollen zahlreich gewesen sein und ihr geradezu aufgelauert haben, ähnlich Paparazzi den Medienstars heute. Die Fama will, dass sie deswegen in der Öffentlichkeit beschützt, abgeschirmt werden musste. Ausdruck dieser grossen Berühmtheit ist, dass ein Jahr nach ihrem Tod eine Büste von ihr im Pantheon neben der von Raffael aufgestellt wurde.
Angelikas Vater Joseph Johann war Österreicher und stammte aus dem nahen Vorarlberg. Auch er war bereits Künstler, Maler und Portraitist und von einer unstet anmutenden Lebensweise. Angelika wechselte mit ihm seit früher Jugend wiederholt den Wohnort, von einem Land Europas in ein anderes. Im Alter von etwa zehn Jahren finden wir sie mit ihrem Vater im norditalienischen Como, angrenzend an die Schweiz. Daran schlossen sich Aufenthalte in weiteren Städten Italiens. In den 1760er Jahren hielt sie sich längere Zeit in der Kunstmetropole Florenz und dann in Rom auf, wo sie sich in der Malkunst weiterentwickelte. In Italien bewegte sie sich im Kreis der namhaftesten Künstler, zu denen sie leicht Zugang fand und von denen sie hoch geschätzt, sogar bewundert wurde. Zu diesen gehörten beispielsweise auch Goethe, der sich damals längere Zeit in Rom aufhielt, und mit dem sie eine innige Freundschaft verband, ebenso Johann Joachim Winckelmann, von dem sie anlässlich eines Aufenthaltes in Neapel ein Portrait malte.
Im Jahre 1766 übersiedelten Angelika und ihr Vater von Italien nach London, wahrscheinlich angeregt durch englische Kunstfreunde, von denen damals viele in Italien lebten. Auch in England zog ihre Kunst sofort das grosse Interesse auf sich, und ihre Werke waren bald in den renommiertesten Gallerien der britischen Metropole ausgestellt. Sie war mit den grossen englischen Künstlern der Zeit befreundet, beispielsweise mit Sir Joshua Reynolds, der auch ihren weiblichen Reizen erlegen, dessen Werben um sie aber vergeblich gewesen sein soll. Höchste Ehre wurde Angelika Kauffmann dann zuteil, als sie von König Georg III. im Jahre 1768 als Gründungsmitglied der Royal Academy of Arts berufen wurde. Der englische Herrscher muss Helvetien besonders gewogen gewesen sein, denn neben Kauffman ernannte er auch den Schaffhauser Goldschmied und Emailleur Georg Michael Moser und dessen Tochter Mary, die in London ansässig waren. Sie waren die einzigen Ausländer des Gründungsgremiums, ein erlauchter Kreis von insgesamt zweiunddreissig Malern und den zwei Schweizer Malerinnen, dem neben dem Leiter Reynolds, dem wahrscheinlich bekanntesten englischen Maler zu jener Zeit, unter anderen auch Thomas Gainsborough, Francesco Zuccarelli (ein damals breit bekannter italienischer Landschaftsmaler aus Pitigliano in der Toscana am englischen Hof) oder der Deutsche Johann Zoffany angehörten.
Angelika Kauffmanns Zeit in Rom und Florenz ist gut dokumentiert. Von frühester Jugend an des Reisens gewohnt, hielt sie sich auch in vielen anderen Teilen Italiens auf, wozu allerdings weniger bekannt ist. Dies trifft insbesondere für das kleine Lucca zu, wo sie ebenfalls anzutreffen ist. Eine Fernsehendung des 3sat aus dem Jahre 2024 konzentrierte sich auf ihren dortigen Aufenthalt und analysiert ihre Arbeitsweise und Maltechnik. Diese sei von Effizienz und Routiniertheit geprägt gewesen; ihre Bilder, einmal fertig, hätten kaum je Korrekturen erfahren. Man könnte aufgrund dessen somit die Aussage wagen: Kauffmann erinnert im Musikbereich an Antonio Vivaldi, der gelegentliche Hinweise auf eine Imperfektion in einer seiner Kompositionen nie habe hören wollen, weil er bereits mit seinem nächsten, neuen grossen Werk beschäftigt gewesen sei. Bei Kaufmann wie bei Vivaldi ist das Imperfekte Teil des Perfekten, das nicht stört, vielmehr bereichert.

Angelika gehörte zu den gefragtesten Portraitmalerinnen ihrer Zeit, und sie konzentrierte sich mit Vorliebe auf Darstellungen von Frauen. In Lucca begegnete sie Teresa Bandettini (1763-1837), die sie auch portraitierte. Wie Kauffmann war auch die Bandettini eine erfolgreiche Künstlerin und eine Berühmtheit der Zeit. Sie war bekannt für ihre hohe Bildung, die sie sich als Waisenkind auf autodidaktischem Weg aneignete. Unter dem Pseudonym Amarilli Etrusca veröffentlichte sie Gedichte. Diese trug sie in norditalienischen Städten vor, unter anderen in Pavia, Modena oder Mantua. Ihre Dichtkunst wirkt modern; sie rezitierte ihre Verse nämlich auf der Bühne als Stegreifdichterin improvisierend, ähnlich dem heutigen Rap. Ihre Auftritte müssen erfolgreiche Bühnenerlebnisse der Zeit gewesen sein. Dazu war Bandettini nämlich auch eine angesehene Ballerina und trat auf vielen Bühnen Norditaliens als tanzende Lyrikerin auf. Gegen 1830 kehrte sie schliesslich in ihre Heimatstadt Lucca zurück, wo sie die Gunst der Herzogin genoss und am Hof wirkte.
Anders als mit Angelika Kauffmann hat es die Geschichte mit Teresa Bandettini aber nicht gut gemeint. Sie geriet nach ihrem Tod bald in Vergessenheit. Wohl gibt es in Lucca eine Strasse, die nach ihr benannt ist, analog zu vielen anderen Personen aus der örtlichen Geschichte. Fragt man aber Einheimische, um wen es sich denn hier handle, reagieren sie in aller Regel mit Kopfschütteln. Und auch von ihrem umfangreichen lyrischen Werk ist heute kaum etwas greifbar, kann aber verdienstlicherweise zum Teil im Internet bei Google gelesen werden. Die lyrische Tänzerin oder die tanzende Lyrikerin, eine Berühmtheit ihrer Zeit, ist weitgehend vergessen.
Auch Darstellungen von Teresa Bandettini gibt es nur wenige. Eines stammt vom Maler Gaspare Landi aus Piacenza mit den Lebensdaten 1756-1830, fast identisch mit jenen Bandettinis. Er malte die Künstlerin inmitten einer mediterranen Landschaft, anmutig vor einem antiken Tempel im Hintergrund sitzend, und mit einer Leier in der Hand, dem Sinnbild der Lyrik. Das Portrait wirkt bei all seiner künstlerischen Vollkommenheit programmatisch idealisiert, etwas gestelzt.
Anders zwei Darstellungen der Bandettini von Angelika Kauffmann. Das eine ist im Luccheser Museum Palazzo Mansi zu sehen. Im Gegensatz zu Landi erblicken wir die Bandettini hier natürlich, nahbar, lebendig und nicht idealisierend dargestellt. Der Beitrag des 3sat spricht von Angelika Kauffmanns so genannten Attitüdenportraits. Sie würden Eigenschaft und Bewegung der portraitierten Dame in Eins bringen. Die Darstellung von Teresa Bandettini ist ein gutes Beispiel für Kauffmanns persönliche Malkunst.
Das beste folgt aber noch: Kürzlich wurde nämlich in Lucca ein zweites Portrait der Bandettini gemalt von Angelika Kauffmann gefunden. Es ist offensichtlich eine Zweitanfertigung, die der ersten aber um nichts nachsteht. Das grosse Werk war während Jahrhunderten nicht bekannt, gleichsam verschollen. Bis es kürzlich in den Räumlichkeiten der Stiftung der Cassa di Risparmio di Lucca, vernachlässigt, vergessen, in einer Ecke entdeckt wurde und jetzt dort, wahrscheinlich auf Anfrage, bewundert werden kann. Wem der Weg in toskanische Kleinstadt zu lang ist, findet die beiden lebendigen Portraits von Angelika Kauffmann auch im Internet.

H.M.S Merlin 6/7/2025



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