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UGO BORGOGNONI, ODER UGO DE LUCCA EIN URVATER DER MITTELALTERLICHEN CHIRURGIE IN ITALIEN




Illustration von Lina Giusti
Illustration von Lina Giusti

Wie im Bereich der Musik aus Lucca - denken wir beispielsweise an Francesco Gasparini oder Lorenzo Gregori - gibt es auch in der Medizingeschichte der Stadt Personen mit herausragenden Leistungen, die heute zwar breit der Vergessenheit anheim gefallen sind, deren wissenschaftliche Erkenntnisse aber beachtlich sind und die deswegen verdienen, in Erinnerung gerufen zu werden.


Zu ihnen gehört Ugo Borgognoni, auch verbrieft unter dem Namen Hugo (Ugo) dei Borgognoni, Ugo de Lucca, Deutsch Hugo von Lucca oder Englisch Hugh of Lucca. Zu seiner Person selbst ist nur wenig bekannt. Bereits Ugos Geburtsdatum ist nicht gesichert. Es wird angenommen, dass er im Zeitraum von 1160 bis 1180 in Lucca geboren wurde. Erfasst ist demgegenüber sein Todesjahr, 1259 in Bologna. Angesichts der damaligen Lebenserwartung von etwa 40 Jahren erreichte er somit ein sehr hohes Alter, zwischen 79 und 99 Jahren. Eugen Perrenon, dessen Dissertation aus dem Jahre 1899 dem Wirken von Ugo de Lucca gewidmet ist (Die Chirurgie des Hugo von Lucca nach den Mitteilungen bei Theoderich (13. Jhdt.), Berlin 1899, dazu auch Wikipedia), lässt wissen, dass Ugo noch im Alter von beinahe hundert Jahren aktiv war und wissenschaftlichen Rat erteilte.


Der Luccheser Ugo Borgognoni darf als einer der Urväter der mittelalterlichen Chirurgie in Italien gelten. Besondere Wichtigkeit kommt seinen von ihm erarbeiteten Methoden für die Wundbehandlung zu. Im Weiteren entwickelte er eine frühe Form der Narkose: Er verabreichte seinen Patienten vor der Operation zum Einatmen einen mit Opium und anderen Betäubungsmitteln getränkten Schwamm (den so genannten „Schlafschwamm“). Borgognoni wurde dann nach Bologna als Stadtarzt berufen, und er war auch an der dortigen Universität als Professor für Chirurgie tätig. Beflügelt von seinem Erfolg gründete er in Bologna schliesslich mit drei weiteren Ärzten eine Chirurgenakademie, mit Roland von Parma, seinem Sohn Theoderich und Guglielmo da Saliceto.


Gemäss Theoderich heilte sein Vater Ugo mit Kompressen von Wein und mit einem einfachem Verband ohne Schwierigkeiten Wunden jeglicher Art, sogar Nerven- und Gefässverletzungen, dies unter Anwendung zeitgenössischer mittelalterlicher Salben und Pflaster, wie bei Perrenon nachzulesen ist. Selbst hoch gefährliche Schuss- und Schädelverletzungen habe Ugo mit seinen von ihm entwickelten Methoden zu heilen verstanden. Auch Kopfschmerzen, Augenentzündungen und Lähmungen soll er geheilt oder zumindest gelindert haben.



Bemerkenswert ist im Weiteren, dass Ugo seine vielfältige Tätigkeit als Arzt und seine bahnbrechenden, medizinischen Erfindungen nicht selber dokumentiert hat. Sein praktisches Wirken und seine didaktischen Anweisungen bleiben uns aus zweiter Hand überliefert. Dass wir über Ugo umfassende Informationen haben, ist nämlich seinem Sohn Theoderich Borgognoni zu verdanken, der die mündlichen Hinterlassenschaften seines Vaters für die Nachwelt schriftlich erhalten hat. Hugo war auch der erzieherische Vater und Lehrer seines Sohnes und unterrichtete ihn in der Kunst der Chirurgie. Theoderich wurde, wie sein Vater, Chirurg, und er nimmt in seinem schriftstellerischen und medizinischen Werk zahlreich Bezug auf die ihm von seinem Vater erteilten Lehren. Und eben hier lesen wir: Dass ihn Vater Ugo noch in seinem hundertsten Lebensjahr unterrichtet habe.


Mit Geringschätzung wurde das Wirken Ugo Borgognonis von Guy de Chauliac (1298-1368) beurteilt. Er gilt als einer der angesehensten und einflussreichsten Ärzte des Mittelalters. Theoderich habe die angeblichen Techniken und Verdienste seines Vaters bei einem Dritten abgeschrieben, so argumentierte er. Somit würde es sich um ein Plagiat im heutigen Sinne handeln. Gemäss Perrenons eingehender Untersuchung ist Guy de Chauliacs Urteil aber nicht gerechtfertigt. Perrenon kommt vielmehr zum Schluss, dass Theoderich den Grossteil seiner chirurgischen Techniken tatsächlich seinem Vater Ugo verdankt. Die einfache Form der Narkose mittels Schlafschwämmen und die Empfehlung der eiterungslosen Wundbehandlung gingen auf Ugo und nicht auf dessen Sohn Theoderich zurück, wie er mit guten Argumenten nachweist. Theoderich komme nur das Verdienst zu, die medizinischen Errungenschaften seines Vaters der Nachwelt überliefert zu haben. Die Tatsache, dass Theoderich seinen Vater in seinen medizinischen Schriften wiederholt als Dominus Ugo bezeichnet, dürfte Perrenons Einschätzung stützen.


Ugo wurde dank seiner erstaunlichen medizinischen Erfolge weit über seinen heimatlichen Wirkungskreis - Lucca, Bologna - hinaus bekannt. Die von ihm entwickelte Narkose mittels Schlafschwämmen kommt vom Grundsatz her noch heute zur Anwendung. Dennoch hat ihn sein Sohn Theoderich Borgognoni an Bekanntheit überflügelt. Er wurde Dominikanermönch, dann Bischof von Bitonto und nachher von Bologna, war Verfasser medizinischer Schriften, und er soll sich, wie so mancher Klerikale damals, auch eines grossen weltlichen Reichtums erfreut haben.




H.M.S. - Merlin 20/05/202


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Hortus Deliciarum, Hugo Schwaller

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