Seit je, Markenartikel entzweien die Gesellschaft.
Die einen lieben, verehren sie: Selbst wenn sie viel kosten, der
emotionale Gewinn überwiegt den hohen Preis. Die Marke ist für
sie wichtiger als das Produkt selber.
Andere begegnen Markenartikeln mit Abneigung, sogar mit
Verachtung: Sie verunmöglichen als Massenprodukte eine
individuelle Identifikation, und wer sie kauft, sie nutzt, zur Schau
stellt, betreibt gratis Werbung.
Michael Glausers Projekt „koeder“ setzt sich seit Jahren vertieft mit
dem soziologischen Phänomen der Marke auseinander. Glauser
beschreitet einen dritten Weg: In seinem Konzept steht die Marke
für sich selbst; sie ist der einzige und alleinige Wert, ein Wert eo
ipso.
Dieses Konzept, versinnbildlicht mit einem stilisierten Hechten, ist
für Michael Glauser, alias Miles Koeder, zu einer lebensbejahenden
Mission geworden. Seit seiner Jugend zeichnet er mit hoher
Passion Hechte. Und nach wie vor ist er auf der Suche nach dem
perfekten Hechten. Farben, Schablonen, Verdünner, weitere
Materialien aller Art trägt er stets schwer bepackt auf sich. Denn ein
jeder Moment könnte der richtige sein, den perfekt geformten
Hechten zu zeichnen. Diesen möchte Miles Koeder nicht
verpassen.
Der Visionär Miles Koeder ist in den Hortus gekommen, um seinen
Hechten, seinen koeder, sein ideologisches Konzept zu erläutern.
Und vielleicht auch - um ein bisschen Werbung zu machen.
Hortus deliciarum (H-D):
Herr KOEDER bzw. Herr Glauser, Sie sind als Jurist und
Fürsprecher auf den ersten Blick weit weg von Hechten und
Fischen. Wie bringen Sie die beiden Bereiche zusammen?
Miles Koeder (MK):
Im Juristenteich tummeln sich etliche Hechte.
H-D:
Wie erklärt sich Ihre Passion für den Hechtkult? Wieso gerade ein
Hecht? Wie kam es dazu?
MK:
Ich kann die Passion nur mit meinen Wurzeln erklären. Ich bin im
Berner Seeland in einem kleinen Dorf am Wasser aufgewachsen,
noch ohne Internet. Alle Dorfbuben haben geangelt. Wer einen
Hecht an Land zog, war der König. Denn Hechtfänge waren rar. Ich
weiss noch genau, wie ich als Viertklässler an einem schulfreien
Mittwochnachmittag meinen ersten Hecht fing. Ich war alleine
unterwegs und der Anbiss erfolgte auf einen Perlmuttlöffel. Bei mir
kam dann noch das Interesse fürs Zeichnen hinzu. Diesbezüglich
war mein Elternhaus hilfreich und Impulsgeber. Wir besuchten oft
Kunstausstellungen und die Eltern pflegten auch privat Kontakt zu
lokalen Kunstschaffenden. So begann ich damals zu recherchieren
und fand heraus, dass lokale Künstler wie Heini Stucki oder Martin
Ziegelmüller, aber auch bekannte Künstler wie Amiet oder
Segantini, sich künstlerisch bereits mit dem Hecht
auseinandergesetzt hatten.
H-D:
Wofür steht Ihr Hecht? Gemäss dem Artikel in der NZZ (auf Ihrer
homepage „koeder“) genügt er sich selbst. Wie ist das zu
verstehen?
MK:
Ich muss etwas ausholen: Ende der 1980er-Jahre begann ich mit
dem Hecht-Zeichnen. Wenn ich diese Zeichnungen heute
anschaue, handelt es sich dabei schlicht um Kinderzeichnungen.
Jahre später, zu Beginn der 2000er-Jahre, machte ich nach
meinem Studium in Zürich an der Bahnhofstrasse ein Praktikum.
Ich beobachtete, wie Konsumenten viel Geld für Markenartikel
ausgeben. Das war neu für mich, ich hatte mich bis anhin nicht mit
Marken beschäftigt. Aus Gesprächen mit Verkaufspersonal erfuhr
ich, dass die Marke für den Kauf den Ausschlag geben kann und
nicht das Bedürfnis nach einem Gegenstand. Der Volksmund hat
dafür eine schöne Redewendung entwickelt: «Man ist bereit, für
den Namen zu bezahlen». Aus diesen Beobachtungen leitete ich
die Idee ab, ein Hechtlogo für ein Markenprojekt zu entwickeln, in
welchem das Logo nur noch für sich selbst steht bzw. weder Tasche
noch Hose oder sonst ein Produkt kennzeichnet. Die Idee sah
zudem vor, dass das Logo einzig mittels Mund-zu-Mund-Werbung
propagiert wird.. So zeichnete ich den stilisierten Hecht, welcher
mittels Schablonetechnik reproduziert wird. Nachdem in Zürcher
Kultur- und Szenelokalen die ersten Hechte auftauchten, griffen
lokale Medien das Thema auf. Ein Journalist schrieb dazu in
seinem ersten Portraitentwurf: der «reduced to the max» Hecht. Ich
war natürlich gebauchpinselt, fand das aber zu hoch gegriffen.
Freundlicherweise wählte dann die NZZ eine bescheidenere
Ausdrucksweise.
H-D:
Der Hecht ist folglich ein Markenzeichen, eines, das für sich selbst
steht. Wenn ich den Hechtkult als Parodie auf den so verbreiteten
Markenkult auffasse – liege ich richtig, oder falsch?
MK:
Parodie, Ironie … oder doch Dadaismus? Ich fand damals während
meiner Stage in Zürich das soziologische Phänomen «Marke»
spannend. Man muss sich das plastisch vor Augen halten: Der
erfolgreiche Geschäftsmann arbeitet den ganzen Arbeitstag
geldgetrieben an der Zürcher Bahnhofstrasse, er kalkuliert,
verhandelt und optimiert. Doch zum Feierabend gönnt er sich eine
zerschlissene Markenjeans für CHF 800 und fährt danach im
röhrenden Ferrari nach Hause. Offensichtlich ist da für den
Konsumenten der emotionale Gewinn ungleich höher als der
finanzielle Verlust.
H-D:
Verbinden Sie ein spezielles Anliegen mit Ihrem Hecht?
MK:
Ja. Wer sich über den Hecht informiert und erstmals auf
www.koeder.ch einsteigt, erfährt unvermittelt, dass es darum geht,
«den Hecht zum Leben zu erwecken» bzw. «dem Hecht Leben
einzuhauchen». Ich verbinde mit meinem Hecht eine
lebensbejahende Haltung.
H-D:
Auf Ihrer Homepage sehen wir Sie, wie Sie schwer belastet, mit
ernstem Gesichtsausdruck, ein grosses Bild mit einem Hecht über
eine Meeresküste tragen. Ich habe den Eindruck von einer tiefen
Mission. Sie erinnern mich an Christus mit dem Kreuz. Sind Sie ein
moderner Kreuzritter?
MK:
(schallendes Gelächter) Das Bild wurde in der La-Tène am
Neuenburgersee aufgenommen. In der La-Tène wurden
bedeutende Funde der Kelten gemacht. Die La-Tènekultur ging
daraus hervor (www.latenium.ch). In den jahrtausendealten
Feuerstellen wurden auch unzählige Hechtknochen ausgegraben.
Der Ort ist also bewusst mit Hechtbezug gewählt. Wer die La Tène
besucht und auf den Damm hinaus läuft, erlebt das Gefühl
unendlicher Weite, Wasser und Himmel verschmelzen; es ist
tatsächlich wie am Meer. Betreffend Ballast kann ich sagen, dass
ich zu Beginn meiner «Hecht-Idee» für mich entschieden habe,
dass ich das gesamte Projekt wortwörtlich stets selber muss tragen
können. Ich habe alle Schablonen und das weitere Hilfsmaterial wie
Farben, Verdünner, Klebband etc. stets auf mir (Neudeutsch der
KISS-Ansatz, Keep It Simple & Stupid). Das macht dann rasch 20
kg Ballast.
H-D:
Andererseits rufen Sie auf zu spielen mit Form, Farbe, Material,
Gestaltung. Welchen Platz hat das Spielerische in Ihrem Hechtkult?
MK:
Das Spielerische ist für mich ganz wichtig. Einerseits geht es um
den Ursprung, das sind meine Kinderzeichnungen und die
Erinnerungen an die Zeit an den Seeländer Gewässern,
andererseits um die Freiheit, mit dem Hecht letztlich zu machen,
was ich will.
H-D:
Was genau ist der perfekte Hecht, von dem Sie auf Ihrer Homepage
sprechen?
MK:
Der perfekt geformte Hecht behält Generationen übergreifend seine
Qualität und somit zeitlose Gültigkeit. Die Bahnhofsuhr von Hans
Hilfiker ist für mein Empfinden beispielhaft. Ein weiteres Merkmal
ist, wenn die stilisierte Form auf verschiedensten Unterlagen und in
verschiedenen Grössen als Umsetzung funktioniert. Bezogen auf
die Hechtform muss diese als Tattoo, Flagge, gesprayt auf Auto etc.
funktionieren.
H-D:
Wir sehen auch zahlreiche Fotos des Hechts in verschiedensten
Gegenden der Welt. Bis wohin ist der Hecht schon geschwommen?
MK:
Der Hecht «schwimmt» erfreulicherweise weltweit. Oft nehmen
Schweizer Touristen ein paar Kleber mit, oder der Hecht wird
weltweit downgeloadet. Dem Schweizer Filmer Christian Frei habe
ich seinerzeit Hecht-Kleber mitgegeben, damit Kosmonauten den
Hecht zur Raumstation MIR bringen.
H-D:
Mittlerweile gibt es Ihren Hecht auch auf wertvollen Gegenständen.
Widerspricht dies nicht dem Grundsatz des Hechts, wonach er sich
selbst genügt?
MK:
Meines Erachtens nicht, von mir ist stets der Hecht, der
Gegenstand ist Träger des Hechts. So funktioniert das Projekt stets
partnerschaftlich.
H-D:
Swim koeder swim! Ist Ihr Leitsatz. Wie geht es weiter im Hechtkult,
der 200 Jahre währen soll?
MK:
Seit gestern schwimmt erstmals ein Hecht als NFT (Non Fungible
Token) https://xchain.io/asset/KOEDER ). Erfreulicherweise werde
ich laufend mit neuen Ideenvorschlägen kontaktiert. Wenn die
Finanzierung möglich ist, bin ich in aller Regel dabei.
Swim Koeder Swim!
⇧ Klicken Sie auf den Hecht! ⇧
H.M.S - Merlin 05/02/2022
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